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SHOWDOWN IN DER ARZTPRAXX        (20.05.2020)

Der Aargauer Landammann Markus Dieth liess den Wettinger Kardiologen Thomas Binder verhaften.

Dieser hatte Covid-19 als Massenwahn um eine harmlose Grippe bezeichnet. Protokoll einer irren Eskalation.

Am Ostersamstag um 22.28 Uhr stürmten mindestens ein Dutzend vermummter und bis auf die Zähne bewaffneter Polizisten der Sondereinheit Argus die Arztpraxis an der Etzelmatt 1 in Wettingen. Von seinem Schreibtisch aus beobachtete der Kardiologe Thomas Binder das Spektakel. Als ihn der Einsatzleiter telefonisch aufforderte, mit erhobenen Händen herauszukommen, begriff Binder endlich, dass das Spektakel ihm galt. Er setzte noch einen letzten Hilferuf über Facebook und Twitter ab, dann öffnete er wie befohlen die Tür. Obwohl der lediglich mit einem T-Shirt, leichten Hosen und Flip-Flops bekleidete Arzt keinen Widerstand leistete, warfen ihn die Polizisten mit brachialer Gewalt zu Boden und fesselten ihn wie einen Schwerverbrecher.

Der Auftrag zur Verhaftungsaktion kam gemäss Recherchen der Weltwoche von Landammann Markus Dieth (CVP) persönlich. Das ist auch deshalb brisant, weil Dieth (52) und Binder (58) eine lange Freundschaft mit familiären Wurzeln verbindet. Schon Julius Binder, der Vater des Arztes, hatte ein Leben lang für die CVP politisiert, ebenso seine Schwägerin, die heutige Nationalrätin Marianne Binder. Markus Dieth und Thomas Binder stammen aus der Region Baden-Wettingen, seit über zwei Jahrzehnten treffen sie sich regelmässig im Rotary Club. Bis zu seiner Wahl in die Aargauer Regierung gehörte Dieth dem Regionalen Führungsorgan Wettingen-Limmattal (RFO) an, das bei Notfällen und Katastrophen die Einsätze leitet und dem auch Binder als medizinischer Leiter angehört.

Nicht bewaffnet


Thomas Binder ist in der Region und vor allem in den sozialen Medien (Twitter, Facebook) als scharfzüngiger Freidenker bekannt, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Nach dem Ausbruch der Corona-Krise kam er bald zum Schluss, dass es sich bei Covid-19 in Wahrheit um eine simple Grippe handle, die in einen kollektiven Wahn ausgeartet sei. Die Folgen dieses Hypes sind nach seiner Meinung, die er detailliert begründete, viel verheerender als das Virus selber. Thomas Binder ist zwar Kardiologe, doch er hat auf dem Gebiet der Immunologie und Virologie doktoriert. Völlig fremd ist ihm das Thema also nicht. Und je radikaler die Zwangsmassnahmen gegen Covid-19 wurden, desto radikaler wurden auch Binders Gegenbotschaften in den sozialen Medien.

Ende März 2020 wurden der Aargauer Regierungsrat Urs Hofmann und Landammann Markus Dieth positiv auf das Coronavirus getestet. Hofmann musste vorübergehend ins Spital, Dieth blieb zu Hause in der Quarantäne. Mehrmals versuchte Binder seinen Freund telefonisch zu sprechen, er offerierte ihm einen Hausbesuch, doch er wurde von Dieths Ehefrau abgewimmelt. Als Dieth am letzten Samstag die Meldung bekam, Binder sei angeblich bewaffnet und verbreite Drohungen in den sozialen Medien, fackelte er nicht lange. Er alarmierte den Aargauer Polizeikommandanten Michael Leupold, der Binders Wohnung wie auch seine Praxis von der Argus-Truppe stürmen liess.

Es war ein Fehlalarm. Binder war nie bewaffnet. In seiner Wohnung stellte man zwar eine alte Ordonnanzwaffe sicher, über die ein Oberleutnant der Armee nun mal verfügt, allerdings ohne Munition. Thomas Binder wurde trotzdem ins Zentralgefängnis Lenzburg verbracht. Wohlweislich stellte die Staatsanwaltschaft nicht einmal einen Haftantrag. Der Arzt wurde lediglich einer Ärztin (Allgemeinpraktikerin) vorgeführt, gegenüber der er sich gemäss Hörensagen etwas unflätig (aber nicht gewalttätig) verhalten haben soll. Auf die Frage etwa, welches Jahr wir schrieben, antwortete Binder «1984». Und als sie ihn anwies, auf einer Linie zu gehen, tat er dies im Stechschritt.

Die Ärztin fand die Verweise auf Orwell und den Totalitarismus nicht lustig. Mit der Anamnese «Mehrmals beleidigend», «Der Polizei gedroht», «Bei Meinungsverschiedenheiten wird er aggressiv» sowie «Wahnvorstellungen bzgl. Covid-19» und der Diagnose «Psychischer Ausnahmezustand» ordnete sie wegen «Fremdgefährdung» die Einweisung in die psychiatrische Klinik Königsfelden an. Dort kam Binder vorweg in eine Gummizelle. Am Ostermontag wurde er polizeilich einvernommen.

Gehörige Portion Fantasie


Der Weltwoche liegt die elfseitige Einvernahme vor. Worin die Bedrohungen konkret bestehen, die zu Binders Verhaftung führten, geht daraus nicht hervor. Er wird mit streckenweise wohl polemischen Tweets und Facebook-Botschaften konfrontiert, bei denen es aber eine gehörige Portion Fantasie braucht, um eine Drohung hineinzudeuten. Seine These über die 5G-Strahlung, die gefährlicher sei als das Virus, mag Anlass zu Stirnrunzeln geben. Doch von einer Waffe ist nirgends die Rede.

Nach der Einvernahme wurde der Arzt in die geschlossene Abteilung von Königsfelden versetzt. Dem Schreibenden ist es gelungen, ihn dort für ein längeres persönliches Gespräch zu kontaktieren. Thomas Binder räumt ein, dass er zu seiner Kollegin, die ihn psychiatrisch abklärte, nicht sehr freundlich war («Es hätte umgekehrt sein können – als Arzt hätte ich sie wegen Covid-19-Wahns in die Psychiatrie schicken können»). Binder vergleicht sich mit den Dissidenten, die man damals in der Sowjetunion psychiatrierte. Über seinen Anwalt verlangt er nun die sofortige Freilassung. Immerhin habe der Wirbel auch etwas Gutes: Seine Blog-Einträge würden nun mehr gelesen als je zuvor.


Von Alex Baur, Weltwoche, 15.04.2020

Vorbereitung: Dunja Gaupp

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