Hinzugekommen sind endlose Diskussionen in drei
Streitpunkten. Der erste betrifft ein Volksreferendum,
angestossen von der konservativen Bürgerinitiative "Im
Namen der Familie", mit dem sich eine
Zweidrittelmehrheit der Teilnehmer mit ihrer Forderung,
die klassische Ehe als "Lebensgemeinschaft von Mann und
Frau" in der Verfassung festzulegen, durchgesetzt hat.
Im zweiten Punkt geht es um die im letzten
Jugoslawien-Krieg schwer beschädigte Stadt Vukovar, in
der wochenlang Unruhe herrschte, weil die Regierung
gegen den Willen der dortigen kroatischen Bevölkerung
zweischriftliche (lateinisch und kyrillisch) sowie
zweisprachliche (kroatisch und serbisch) Tafeln an
öffentlichen Gebäuden anordnete mit der Begründung,
dies sei durch ein Gesetz über nationale Minderheiten
vorgeschrieben.
Im dritten Streitpunkt geht es um die zögernde
Haltung der kroatischen Justiz bei der Auslieferung
des ehemaligen Geheimdienstlers Josip Perković an
Deutschland, der von einem Münchener Gericht der
Beihilfe zum Mord an einem kroatischen Emigranten
beschuldigt wird.
Ist die Ehe noch etwas anderes als die Gemeinschaft
von Mann und Frau?
Die Bürgerinitiative "Im Namen der Familie" unter
der Führung von Dr. Željka Markić erhielt für ihr
Referendum über die Bezeichnung der Ehe in der
Verfassung doppelt mehr Unterschriften als notwendig.
Damit versetzte sie die Regierenden und ihre
Medienunterstützer geradezu in Panik. Einige
sozialdemokratische Abgeordneten versuchten trickreich
das Referendum zu verhindern. Dem trat das
Verfassungsgericht entgegen. Sowohl die Regierung als
auch Staatspräsident Josipović (dieser eigentlich zur
Neutralität verpflichtet) haben sich gegen die
Bezeichnung der Ehe als eine "Lebensgemeinschaft von
Mann und Frau" ausgesprochen. Einige Regierungsbeamten
und Journalisten beschimpften die Initiatoren des
Referendums aufs übelste als Faschisten, Adolf
Eichmanns, KZ-Aufseher, Judenverfolger, rückständige
Provinzler und antizivilisatorische Hinterwäldler.
Viele linksgerichtete Intellektuelle und Künstler,
aber auch Aufmerksamkeit heischende Sternchen äußerten
sich teils in unerträglichen Schimpfkanonaden gegen
die Befürworter der Befragung.
Nahezu die
gesamte Tagespresse - übrigens in deutschem
Mehrheitsbesitz - stimmte ebenfalls dagegen. Sogar die
öffentlich-rechtliche "Kroatische Radiotelevision" bot
den Anhängern der Bürgerinitiative keine
gleichberechtigte Plattform für die Darlegung ihres
Vorhabens. Darauf hat die Initiative mit einer
heftigen Zurückweisung einiger Medien geantwortet, was
ein Fehler war. Die Gegner des Referendums haben in
der Öffentlichkeit überproportional dominiert. Sie
sehen durch den Eintrag in die Verfassung die Rechte
der gleichgeschlechtlichen Paare auf Familiengründung
mit allen Konsequenzen beschädigt.
In Wirklichkeit ist die Bezeichnung der Ehe als
"eine Lebensgemeinschaft von Frau und Mann" im
kroatischen Familiengesetz seit langem festgelegt.
Nicht anders als in Deutschland. Wozu also dieser
Aufstand. Offensichtlich wollte die Regierung in
Zagreb die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft in
allen Rechten der klassischen Mann-Frau-Ehe
gleichstellen. Das aber würde auch das Recht auf
Kinderadoption einschließen, was in Kroatien mit
seiner 95prozentigen christlichen Bevölkerung nicht
mehrheitsfähig ist.
Hinter den Referendumsinitiatoren standen naturgemäß
die katholische und die orthodoxe Kirche, die Moslems
und Teile der Juden sowie die oppositionelle
Kroatische Demokratische Gemeinschaft zusammen mit
zwanzig anderen kleineren Parteien. Außerdem hatten
sich Vertreter der achtzig europäischen
Organisationoen für die Menschenrechte (European
Dignity Watch) dem Begehren angeschlossen. Nach ihrer
Meinung richtet sich die Bejahung der traditionellen
Ehe nicht gegen die gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaft. Im Nachhinein versucht die
Zagreber Regierung, das Familiengesetz in puncto
Kinderadoption doch noch so zu verändern, dass
gleichgeschlechtliche Paare das Recht auf Patenschaft
erhalten, was einer Adoption nahe käme. Dieses Problem
bedarf noch vieler Diskussionen.
Die nicht ganz objektive deutsche Presse
In der deutschen Presse wurde die Forderung der
Bürgerinitiative "Im Namen der Familie" nicht korrekt
wiedergegeben. So übersetzten die Korrespondenten der
"Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der
"Süddeutschen Zeitung" die kroatische Definition "die
Ehe ist eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau"
fälschlicherweise als "lebenslange Gemeinschaft" und
mißdeuteten damit die Forderung. Für die "Süddeutsche"
war das Votum für die klassische Ehe eine "Rolle
rückwärts", obwohl die gleiche Definition in den
Verfassungen der EU-Länder Litauen, Polen, Lettland,
Ungarn und Bulgarien und bald auch Rumänien
nachzulesen ist.
Das ursprüngliche Problem, das die Kroaten mit der
neuen Regierung hatten, wie die "FAZ" berichtete,
bezog sich auf den Sexualunterricht in Schulen, der
nicht mit den Eltern abgesprochen wurde. Nach langem
Streit wurde dieses Programm vom Verfassungsgericht
kassiert. Für andere deutsche Zeitungen war dies nicht
berichtenswert. Dieselbe Zeitung schrieb über den
Druck der Regierung auf einen Studentenseelsorger, der
im Uni-Zentrum von Zagreb nicht über das Referendum
reden durfte, erwähnt aber nicht, dass derselbe
Priester mit dem Tod bedroht wurde. Die Befürworter
der gleichgeschlechtlichen Ehe bezeichnen ihre
Forderung als Menschenrecht. Jedoch wollte sich die
Europäische Kommission, so die "FAZ", nicht in diesen
Konflikt einmischen, weil die Definition der Ehe
ausschließlich eine nationale Angelegenheit sei.
Das
kroatische Verfassungsreferendum, so die "Süddeutsche
Zeitung", zeige "die Schattenseiten der direkten
Demokratie" und dass der Sieg der Befürworter der
klassischen Ehe "den Nationalisten Auftrieb" geben
werde. Man fragt sich, wie leicht man nahezu einer
Million Menschen, die beim Referendum mit Ja stimmten,
den Stempel "Nationalist" aufdrückt. Übrigens: In
Kroatien gibt es, im Unterschied zu Deutschland und
vielen anderen EU-Ländern, keine ernstzunehmenden
extrem rechten politischen Parteien.
Diese mangelhaften Kommentierungen überbot der
Kommentator der regierungsnahen "Deutsche Welle" in
ihren kroatischen Sendungen. Darin behauptet er,
dieses Referendum sei ein "Zusammenstoß zwischen den
urbanen Eliten und der konservativen, katholischen,
teilweise homophoben Mehrheit". Tatsache ist, dass von
zwanzig kroatischen Gespanschaften (etwa entsprechend
den deutschen Regierungsbezirken) nur zwei (Istrien
und das Küstenland) gegen die klassische Eheform
gestimmt haben, von den größeren Städten nur Rijeka,
während die Hauptstadt Zagreb mit allen anderen
kroatischen Städten, also rein urbanen Zentren, mit
einem Nein zur Homoehe votierten. Nach Meinung des
DW-Kommentators stellen diese Resultate des
Referendums eine "ernsthafte Gefahr für die
demokratische Entwickung Kroatiens" dar. An seine
Meinung koppelt er obendrein die dunkle
"Prophezeiung", dass demnächst auch andere
Minderheiten, wie zum Beispiel die serbische, bedroht
sein werden. Diese hanebüchene Aussicht scheint selbst
Kroatiens Präsident Josipović nicht zu teilen. Nach
seinen eigenen Worten habe ihn das Abstimmungsergebnis
traurig gemacht, aber nach seiner Meinung werde sich
in Kroatien danach nichts wesentlich ändern. Auch
Ministerpräsident Milanović vertrat dieselbe Meinung.
Vukovar - eine offene Wunde mit kyrillischer Schrift
Alljährlich versammeln sich hunderttausende Kroaten
in Vukovar an der Donau, der von der serbisierten
sogenannten "Jugoslawischen Volksarmee" und serbischen
paramilitärischen Verbänden zerstörten Stadt, um der
dortigen Opfer im Vaterländischen Krieg zu gedenken.
Hier und in der Umgebung wurden tausende kroatische
Soldaten, darunter Kriegsgefangene und Verletzte sowie
Zivilisten samt Frauen und Kinder ermordet. Bis heute
sind die Gräber von mehr als 600 Opfern nicht bekannt.
Trotz der friedlichen Eingliederung Vukovars und
Ostsyrmiens in das kroatische Territorium sind die
alten Kriegswunden noch offen.
Durch eine Amnestie, vor dreizehn Jahren von der
internationalen Staatengemeinschaft erzwungen, sind
zahlreiche Verbrechen von kriegsteilnehmenden Serben
ungesühnt geblieben. Eine multinationale Integration
hat in Vukovar nicht stattgefunden. Ungeachtet dieser
Tatsachen hatte die erste sozial-liberale Regierung in
Kroatien ein Minderheitengesetz verabschiedet. Demnach
genügen in einem Ort bereits 30 Prozent
Minderheitsbewohner und nicht 50 Prozent, wie in der
EU üblich, um dort zweisprachige und zweischriftliche
Tafeln aufzustellen. Für Vukovar bedeutet das die
serbische Sprache und die kyrillische Schrift. Als
diese Aktion vor zwei Monaten stattfand, bildete sich
ein "Stab zur Verteidigung des kroatischen Vukovar",
der auf diese Maßnahme mit der Zerstörung der Tafeln
antwortete. Die Staatsmacht klinkte sich immer wieder
ein, sogar mit Unterstützung der Spezialpolizei.
Angesichts dieser Lage verkündete der Stab, dass bei
der diesjährigen Kommemoration die Staatsführung nicht
willkommen sei in Vukovar. Bei der Feier am 18.
November 2013 wurde sie das erste Mal angeblich mit
sanfter Gewalt von den anderen Teilnehmern getrennt.
Nach einer kurzen Zeremonie traten die Politiker den
Rückzug nach Zagreb ein. Hier wurde offenbar, dass
Kroatien eine tief gespaltete Gesellschaft ist.
Angesichts dessen sind die Ergebnisse der letzten
Volkszählung in Kroatien 2011 interessant. 4,54
Prozent der Gesamtbevölkerung bezeichneten sich als
Serben, aber nur 1,23 Prozent ihre Sprache Serbisch.
Das bedeutet, dass jeder vierte Serbe Serbisch als
Muttersprache pflegt. Das verwundert nicht, da die
überwiegende Mehrheit der in Kroatien lebenden Serben
keineswegs Serbisch spricht wie in Serbien, sondern
von Alters her Kroatisch. Auch ist ihnen die
kyrillische Schrift nicht geläufig. In der
kommunistischen Verfassung von 1974 wurde die
Dienstsprache in der Teilrepublik Kroatien wie folgt
definiert: "Die offizielle Sprache in der
Sozialistischen Republik Kroatien ist die kroatische
Literatursprache, die Sprache von Kroaten und von
Serben in Kroatien."
In der vor 22 Jahren eingeführten
demokratischen Verfassung wurde Kroatisch als die
offizielle Sprache bestimmt. Jedoch dürfen die
nationalen Minderheiten, darunter auch die serbische,
ihre Sprachen gebrauchen, ohne dass dabei die
zwischennationalen Beziehungen gestört werden. Der
oben genannte "Stab" fordert ein Moratorium für
Vukovar über einen Zeitraum von zwanzig Jahren, um
Serbisch und die kyrillische Schrift einzuführen.
Unlängst wurden für das dafür vorgesehene Referendum
Unterschriften gesammelt. Dieses wäre nicht notwendig,
würde das rot-gelbe Regime in Kroatien mit mehr
Sensibilität auf die Belange der geschundenen
Vukovarer Bevölkerung eingehen. Dem ist leider nicht
so. Dabei leidet Vukovar unter einer wirtschaftlichen
Auszehrung und Auswanderung, besonders von jungen
Menschen. Einige der dortigen Kroaten mutmaßen eine
serbische Unterwanderung der Stadt gemäß den Worten
des serbischen Präsidenten Nikolić, der vor einigen
Monaten "Vukovar eine serbische Stadt" nannte. Einer
der führenden Kroaten in Vukovar meinte dazu, dass in
etwa zwanzig Jahren diese Stadt "ohne einen einzigen
Schuss in serbische Hände fallen wird".
Ein
ex-jugoslawischer "Stasi-Offizier" stört die
kroatisch-deutschen Beziehungen
Als vor einigen Jahren ein gewisser Krunoslav Prates vom Münchener
Oberlandesgericht zur lebenslangen Gefängnisstrafe wegen Beihilfe zum Mord an
dem kroatischen Emigranten Stjepan Đureković in Deutschland verurteilt wurde,
fiel in der Urteilsbegründung auch der Name von Josip Perković als einem
Verbindungsmann zur jugoslawischen Geheimpolizei UDB. Perković war in der
jugoslawischen "Stasi" jahrelang für "geheime Operationen" gegen die kroatische
politische Emigration zuständig. Das Gericht in München fand heraus, dass ein
Teil des jugoslawischen Geheimdienstes unmittelbar Jugoslawiens Präsidenten
Josip Broz Tito unterstellt war. Nach dessen Tod übernahmen diese Befehlsgewalt
die Parteispitzen in den Teilrepubliken, die wiederum entlassene Kriminelle
befehligten, Morde an Emigranten zu verüben. Perković wurde danach mit
internationalem Haftbefehl gesucht. Da er nach der Verselbstständigung Kroatiens
im kroatischen Verteidigungsministerium arbeitete (ähnlich früheren Nazis im
Nachkriegsdeutschland) und das kroatische Recht eine Auslieferung an
Fremdstaaten nicht erlaubte, blieb Perković unbehelligt in Zagreb.
Das änderte sich, als die kroatischen Behörden einen
europäischen Haftbefehl erhielten. Jedoch nur drei Tage vor dem Eintritt
Kroatiens in die EU begrenzte das kroatische Parlament die Gültigkeit des
Gesetzes über die europäische Zusammenarbeit der Justiz zeitlich, nämlich auf
Taten nach dem Jahr 2002. Damit blieb Perković von dem europäischen Haftbefehl
verschont, da die Ermordung Đurekovićs lange vorher geschah. Die kurzfristige
Gesetzesänderung rief einen Sturm der Entrüstung in der Europäischen Kommission
hervor. Die zuständige EU-Justizkommissarin, Viviane Redig, war außer sich und
drohte Kroatien mit Konsequenzen. Eine davon wäre die Streichung von 80
Millionen Euro für die Sicherung der Schengen-Grenze in Kroatien. Der kroatische
Ministerpräsident Milanović antwortete Viviane Redig mit den Worten, Kroatien
lasse sich nicht zum "Putzlappen" machen.
Dieser unverständliche Affront gegen
die EU-Kommission und Deutschland hat eine tiefere Dimension und steht nur
begrenzt mit dem "Fall Perković" in Zusammenhang. Das Münchener Gericht hat
zweifelsfrei festgestellt, dass der jugoslawische Präsident Tito und später die
Parteiführungen der jugoslawischen Teilrepubliken verantwortlich sind für die
etwa 65 Morde an kroatischen Emigranten im Ausland. Die heutige
Sozialdemokratische Partei Kroatiens ist unmittelbare Nachfolgerin des Bundes
der Kommunisten und ihr Vorsitzender und Ministerpräsident Milanović nach wie
vor Bewunderer Titos. Tatsachen, die in diesem Zusammenhang für sich sprechen.
Außerdem werden in der kroatischen Verfassung mehrere kommunistische
Parlamente als Träger der kroatischen Souveränität genannt. In einem Prozess
gegen Perković würde diese Sachlage in die Weltöffentlichkeit gelangen und
sowohl die Sozialdemokratische Partei in Kroatien als auch das dortige Parlament
zwingen, sich politisch und verfassungsmäßig umzuorientieren. Milanovićs Partei
muss sich von ihrer kommunistischen Vorgängerin distanzieren und in der
kroatischen Verfassung alle Bezüge zu kommunistischen Parlamente kappen, da
diese ohnehin nicht demokratisch legitimiert waren. Solche Schritte scheuen die
herrschenden sozialistischen Machthaber in Kroatien und wollen deswegen den
Prozess gegen Perković in Zagreb stattfinden lassen. Dabei würde mutmaßlich der
politische Hintergrund seiner Tätigkeit im Ausland ausgeblendet. Der europäische
Haftbefehl gegen Perković ist jedoch nach wie vor gültig, und Kroatien müßte ihn
spätestens nach dem 1. Januar 2014 befolgen. Wenn nicht, drohen Kroatien große
Schwierigkeiten mit der Kommission der EU. Indes hat Brüssel genügend
Druckmittel, um Zagreb umzustimmen.
Von Gojko Borić, CroExpress |