Alle Versuche, die Österreichisch-Ungarische Monarchie
im Sinne des Trialismus, also der Umwandlung in einen
deutschen, einen ungarischen und einen slawischen Teil,
zu reformieren, scheiterten an der Ablehnung durch
Ungarn, das seine beherrschende Stellung in den
slawischen Ländern nicht verlieren wollte. Sowohl die
kroatischen Politiker als auch viele Intellektuelle
glaubten, sich mit den Serben leichter verständigen zu
können als mit den vermeintlich "fremden" Ungarn und
Österreichern. Das erwies sich als Illusion.
Belgrad hielt in seiner Politik zwei
Lösungen der südslawischen Frage bereit: eine
großserbische und eine gesamtjugoslawische. Das
großserbische Projekt sah zunächst den Zusammenschluss
aller so genannten "serbischen Länder" vor. Dazu
gehörten Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina
sowie Teile Kroatiens (Süddalmatien und Slawonien).
Das Schicksal der übrigen Teile Kroatiens
interessierte Belgrad nicht. Gegen derartige
Aussichten liefen die kroatischen Exilpolitiker Sturm.
Am Ende des Ersten Weltkriegs siegte schließlich doch
die jugoslawische Gesamtlösung.
Nach dem Versailler-Vertrag verloren
die Kroaten das überwiegend von ihnen bewohnte
Istrien, die Hafenstadt Rijeka, die dalmatinische
Hauptstadt Zadar sowie drei Adriainseln an Italien.
Ohne Zustimmung des kroatischen Parlaments und ohne
Volksabstimmung wurde unter der Dynastie Karađorđević
das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
gegründet.
Das erste
Jugoslawien wurde ein zentralistischer Staat unter
serbischer Vorherrschaft. Im gemeinsamen Parlament kam
es zu schwerwiegenden serbisch-kroatischen
Auseinandersetzungen. Nach der administrativen Teilung
des Landes erhielten die Kroaten nur zwei von neun
Banschaften, eine ging an Slowenien und sechs
beherrschten unrechtmäßig die Serben. Sämtliche
Gesetze wurden gegen den Willen der stärksten
kroatischen Partei, der Bauernpartei, durchgesetzt.
Wirtschaftlich wurden die Kroaten ausgebeutet. Die
einstige südslawische Geldmetropole Zagreb verlor
diese Position zugunsten Belgrads. In der Armee und
Staatsverwaltung spielten die Kroaten eine
untergeordnete Rolle. Erst da wurde offensichtlich,
dass die Kroaten unter den Habsburgern mehr Rechte
besaßen als in dem "erträumten" Jugoslawien.
Ein serbischer Abgeordneter tötete 1928 im
jugoslawischen Parlament den Führer der Kroatischen
Bauernpartei, Stjepan Radić und drei weitere
Abgeordnete. 1929 proklamierte König Aleksandar eine
Diktatur; das Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen wurde in Königreich Jugoslawien umbenannt.
Alle Parteien wurden verboten einschließlich aller
nationalen Symbole, wie Fahnen und Wappen, mit
Ausnahme der serbischen, die zugleich Symbole der
Serbisch-orthodoxen Kirche waren. Jugoslawien wurde in
einen "Einheitsstaat" verwandelt unter dem Motto: "Ein
Volk, ein Staat, ein König" (und das ein Jahrzehnt vor
Hitlers ähnlicher Parole). Der Führer der kroatischen
Nationalisten, Dr. Ante Pavelić, floh ins Ausland und
gründete die "Kroatische Revolutionäre Bewegung - die
Ustascha" (Ustascha bedeutet "Aufständische"), die als
Mittel zur Befreiung des Landes auch Gewalt
befürworteten.
Die
kroatische nationale Frage im Königreich Jugoslawien
Angesicht der "deutschen Gefahr" durch den "Anschluss" Österreichs
verständigten sich die kroatischen und serbischen Politiker auf die Gründung
einer autonomen "Banschaft Kroatien", zu der die kroatischen Länder sowie Teile
Bosnien-Herzegowinas gehörten. Diese Entscheidung kam jedoch zu spät. Eigentlich
wollte Hitler-Deutschland Jugoslawien nicht angreifen, da es dem deutschen
"Drang nach Osten" nicht im Wege stand. Belgrad hatte sich sogar dem
"Dreimächte-Pakt" angeschlossen. Kurze Zeit darauf putschten serbische Offiziere
mit Hilfe britischer Geheimagenten und stürzten die damalige jugoslawische
Regierung.
Deutschland griff Jugoslawien an und besiegte seine Armee in
etwa zwei Wochen. Keiner der Betroffenen wollte für Jugoslawien kämpfen. Die
Achsenmächte teilten Jugoslawien auf: Slowenien wurde zu Teilen jeweils von
Deutschland und Italien einverleibt, Mazedonien ging an Bulgarien, Montenegro
erhielt einen halbautonomen Status, das Kosovo wurde ein Teil Großalbaniens,
Ungarn beanspruchte die Vojvodina für sich, und Serbien schließlich wurde unter
deutsche Verwaltung gestellt.
Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurden vereint in einem damals
so genannten Unabhängigen Staat Kroatien unter Führung der nationalistischen
"Ustascha-Bewegung" mit Ante Pavelić als Staatsoberhaupt. Große Teile der
Kroaten begrüßten diese Eigenstaatlichkeit zunächst, wurden aber schon bald
bitter enttäuscht. Angesichts vieler italienischer Niederlagen zu Beginn des
Zweiten Weltkriegs wollte Mussolini zumindest einen "Sieg" für sich verbuchen
und verlangte von Ante Pavelić mehr als die Hälfte Dalmatiens einschließlich
fast aller Adria-Inseln. Mit Erfolg. Dazu ist eine Bemerkung des damaligen
italienischen Königs Victor Emmanuel II. überliefert, der zu Mussolini sagte:
"Sie haben Dalmatien bekommen, aber Kroatien verloren."
Aufstände gegen Deutsche, Italiener
und ihre einheimischen Verbündeten
Durch diese
Amputation begann die Erosion des Pavelić-Regimes. Die
Ustascha-Bewegung ließ keinerlei Konzepte erkennen,
was mit der großen serbischen Minderheit geschehen
sollte. Schon bald versteckten sich serbische
Aufständische in Wäldern, aus denen sie den
kroatischen Staat bekämpften. Die Ustascha reagierten
darauf mit brutaler Gewalt. Die Kommunisten verharrten
in Wartestellung. Erst als Hitler die Sowjetunion
angriff, riefen die jugoslawischen Kommunisten zum
Aufstand auf. Im damaligen Kroatien entbrannte ein
vielschichtiger Alle-gegen-Alle-Krieg. Die Ustascha
verfolgten eine von Deutschland "inspirierte" Politik
der erbarmungslosen Bekämpfung der Juden, Roma, Serben
und antifaschistischer Kroaten. Im Lager Jasenovac
kamen dabei Tausende Menschen ums Leben. Die genaue
Zahl ist nicht bekannt. Es gibt Anzeichen dafür, dass
dieses Lager nach dem Zweiten Weltkrieg auch von den
Kommunisten für die Inhaftierung ihrer Gegner genutzt
wurde.
Die Kommunisten entwickelten eine raffinierte Propaganda: Sie gaben ihrem
Kampf einen antifaschistischen Anstrich und hielten ihre Ziele nach einer
Machtübernahme geheim. Stattdessen feierten sie den Panslawismus und entfachten
eine antideutsche und antiitalienische Pogromstimmung. Anfangs wurde die
Partisanenbewegung in Kroatien stark von Serben bestimmt, doch bereits von 1942
an stießen immer mehr Kroaten zu den antifaschistischen Kämpfern. Nach der
Kapitulation Italiens im September 1943 war allen klar, dass Hitlers Deutschland
den Krieg verlieren würde.
Der Sieg der Kommunisten in Kroatien
und Jugoslawien
Bald erfreute Tito sich auch der
britischen Unterstützung, nachdem Ministerpräsident
Churchill offen seine Meinung kundtat, er werde in
Jugoslawien diejenige Bewegung unterstützen, welche
die "meisten Deutschen umbringt". Und das waren die
Partisanen Titos und nicht die serbischen Tschetniks.
Diese machten größtenteils mit den Italienern und
Deutschen gemeinsame Sache. Am Ende des Krieges
blieben die Partisanen die konkurrenzlosen Sieger. Es
setzte eine allgemeine Flucht all derjenigen ein, die
mit Deutschland zusammen arbeiteten. Etwa eine halbe
Million Volksdeutscher flüchtete oder wurde
vertrieben, viele von ihnen wurden ermordet. Die
kroatischen, serbischen und slowenischen
Nationalisten, darunter viele Zivilisten, Frauen und
Kinder, suchten Schutz in Österreich und wurden im Mai
1945 von den Briten an die Armee Titos ausgeliefert.
Vom österreichischen Bleiburg bis tief ins Innere
Jugoslawiens wurden auf diesem so genannten Kreuzweg
etwa 80 bis 100 Tausend Menschen von den Partisanen
ermordet. Dieses Verbrechen des jugoslawischen
Antifaschismus kommunistischer Prägung ist bis heute
ungesühnt geblieben.
Das kommunistische Jugoslawien als
sowjetischer Satellit
Ihr wahres Gesicht zeigten die
jugoslawischen Kommunisten erst zu Beginn des
Friedens, als Jugoslawien zu einer Art
Mini-Sowjetunion wurde. Was die sowjetischen
Bolschewiken in der Zeitspanne von der
Oktober-Revolution bis zu Hitlers Angriff vorgemacht
hatten, wiederholten nun die Kommunisten Titos, die
Musterschüler Stalins. Schulen und Universitäten
wurden marxistisch indoktriniert, es gab keine
Presse-und Meinungsfreiheit.
Das Privateigentum auch kleiner Betriebe wurde abgeschafft, die
Landwirtschaft kollektiviert, nichtkommunistische Organisationen wurden
verboten, religiöse Gemeinschaften, insbesondere die katholische Kirche, grausam
verfolgt; etwa 600 Priester und Ordensbrüder- und -Schwestern wurden während des
Krieges und danach umgebracht. Auf den perfiden Versuch des jugoslawischen
Diktators, die katholische Kirche zu neutralisieren mit dem Ziel, dass diese
sich von Rom trennt, gingen die kroatischen Katholiken natürlich nicht ein.
Daraufhin wurde der Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac verhaftet und in einem
Schauprozess zu 16 Jahre Kerker verurteilt. Danach verlieh ihm der Vatikan die
Kardinalswürde. Stepinac starb im Hausarrest in seinem Heimatdorf Krašić und
wurde im Zagreber Dom beigesetzt. Inzwischen ist er seliggesprochen worden.
Der Streit zwischen Stalin und Tito
Nur drei Jahre nach Kriegsende wollte
Stalin Tito absetzen, weil er außenpolitische
Ambitionen entwickelte, was Stalin nicht behagte. Tito
wollte eine große "Balkanföderation" gründen,
bestehend aus den jugoslawischen Teilrepubliken sowie
Bulgarien und Albanien. Es kam zum Bruch zwischen
Moskau und Belgrad. Fast ein Jahr lang versuchte Tito
Genosse Stalin davon zu überzeugen, dass er ein treuer
Kommunist sei, aber es gelang ihm nicht. Alle
sowjetischen Versuche, Jugoslawien zu destabilisieren,
scheiterten, nicht zuletzt auch deshalb, weil der
Westen in die Bresche sprang und Titos Land
wirtschaftlich, militärisch und politisch wirksam
unterstützte. Jugoslawien wurde sogar Mitglied eines
"Balkan-Pakts" mit den NATO-Staaten Griechenland und
Türkei.
Der so genannte "Dritte Weg"
Jugoslawiens
Erst danach entwickelten Jugoslawiens
Kommunisten eine Ideologie des so genannten "Dritten
Weges im Sozialismus", der geprägt war von der
Arbeiterselbstverwaltung in den Betrieben sowie einer
nicht gebundenen Außenpolitik. Beide Ansätze waren
halbherzig, da sie in einem totalitären System
eingebunden blieben. Alle entscheidenden Beschlüsse
kamen von der Partei- und Staatsspitze - von Tito und
seinen engsten Mitarbeitern. Die Versuche von Milovan
Djilas und später 1971 und 1972 von kroatischen und
serbischen "liberalen" Kommunisten, das Parteimonopol
zu brechen, scheiterten.
Die kroatischen Kommunisten gewannen seinerzeit sogar die
Sympathie des Volkes wegen ihres Eintretens für die nationalen Belange, wurden
aber genau deswegen von den Titoisten in den eigenen Reihen brutal abgesetzt.
Tito und seine Anhänger in den Teilrepubliken blieben bis zuletzt der
kommunistischen Ideologie verhaftet. Diese aber wurde in der Praxis lascher
umgesetzt und war damit für die Menschen einigermaßen erträglich. Die Bürger
Jugoslawiens hatten mehr (Halb)Freiheiten als diejenigen in anderen
kommunistischen Ländern. Sie konnten ins Ausland reisen und dort sogar Arbeit
annehmen, die Lektüre ausländischer Publikationen und Bücher stand ihnen offen,
die Künstler konnten sich relativ frei ausdrücken, ob im Jazz oder abstrakter
Kunst, unorthodoxe Meinungen vertreten, wenngleich nur im kleinen Kreis, auch
war die Gründung kleiner Privatfirmen möglich und vieles mehr. Jedoch war die
Entwicklung Jugoslawiens über Jahrzehnte von vielen halbherzigen
Wirtschaftsreformen gekennzeichnet.
Jugoslawien als andauerndes
Krisenland
Schlussendlich war Jugoslawien mit
über 35 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet, und
der Alltag wurde durch allgemeinen Warenmangel
belastet. Dass es den Menschen in anderen Ostländern
weitaus schlechter ging, tröstete sie wenig. Sie zogen
eher Vergleiche mit den westlichen Ländern - Italien,
Österreich und Deutschland. Nur dank der Einnahmen aus
dem Tourismus und der enormen von den Gastarbeitern
überwiesenen Devisen konnte Jugoslawien seine Zinsen
begleichen und den Lebensstandard halbwegs halten.
Im Übrigen erhielt Titos Staat günstige Kredite, ja sogar
Schenkungen aus dem Westen, um als Beispiel für die anderen kommunistischen
Länder zu dienen. Der Erfolg blieb jedoch langfristig aus. Bereits einige Jahre
vor Titos Tod wuchs die Unzufriedenheit der Menschen. Die drei Säulen, auf die
Jugoslawien sich stützte, begannen zu bröckeln. Nach dem Tod des charismatischen
Staatschefs Tito übernahmen acht Nachfolger die Regierungsgeschäfte, allesamt
Bürokraten ohne jeden gesamtjugoslawischen Einfluss.
Die Partei entzweite sich in drei Fraktionen: die progressive
(Slowenen und Kroaten), die repressive (Serben und Montenegriner) und die
unentschlossene (Bosniaken und Mazedonier). Die "jugoslawische Armee" (immer
reaktionär) wurde zunehmend mehr zu einer serbischen Armee. Unterdessen
veröffentlichte die Parteizeitung "Borba" ein halbfertiges "Memorandum der
Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste", in dem besondere Rechte für
die - wie es darin heißt - "unterprivilegierte serbische Nation" gefordert
wurden. Nach heftigen innerparteilichen Kämpfen siegte in Serbien auf einem
Parteikongress ein bis dahin wenig bekannter Funktionär namens Slobodan
Milošević. Er übernahm fast alle nationalistischen Forderungen aus den
politischen und intellektuellen Kreisen, die dazu geeignet waren, die Übermacht
der Serben in ganz Jugoslawien nach altem Vorkriegsmuster erneut zu etablieren.
Diese Entwicklung stieß auf großen Widerstand und Ängste bei den Kroaten,
Slowenen und den bosnischen Muslimen.
Jugoslawien geht seinem Ende entgegen
Auf dem letzten Kongress des Bundes
der Kommunisten Jugoslawiens 1988 wurde die gemeinsame
Partei zerstört und die jugoslawische Armee durch und
durch serbisch ausgerichtet. Es dauerte noch einige
Monate, bis Milošević auch die Autonomie des Kosovo
und der Vojvodina abschaffte und die Parteiführung in
Montenegro zum Rücktritt zwang. Slowenien und Kroatien
wehrten sich entschieden, Mazedonien und
Bosnien-Herzegowina verhaltener. Es gab keine
Möglichkeit, gesamt-jugoslawische Wahlen
durchzuführen, und Parlamentswahlen fanden nur in
einzelnen Teilrepubliken statt. In Slowenien,
Kroatien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina siegten
antikommunistische, teilweise nationalistische,
Parteien.
Nur in Serbien und Montenegro blieben Postkommunisten die
Sieger. Milošević triumphierte, und es begann jener Krieg, den man im Westen
fälschlicherweise "Bürgerkrieg" nennt, obwohl er ein Angriffskrieg der
serbischen Kräfte war gegen Slowenien und Kroatien sowie gegen die Bosniaken und
Kroaten in Bosnien-Herzegowina. Die Begründung der serbischen Seite klang
fadenscheinig: Die Serben außerhalb Serbiens seien von ihren Nachbarvölkern
bedroht und wollten daher in Jugoslawien und nicht in selbstständig gewordenen
früheren Teilrepubliken leben.
Kroatien und Slowenien wollen
selbstständig werden
Nach Meinung
einer von der Europäischen Union eingesetzten
Kommission unter der Leitung des ehemaligen Mitglieds
des französischen Verfassungsgerichts, Robert
Banditer, ist Jugoslawien nicht durch die Sezession
zugrunde gegangen, vielmehr durch innere Widersprüche.
Es war eine Implosion und nicht die Intervention durch
Außenkräfte (Deutschland, Österreich, Vatikan usw.),
wie die serbische Propaganda bis heute behauptet.
Der Krieg dauerte unterschiedlich lang: in Slowenien zwei Wochen, in Kroatien
etwa fünf Jahre. Dagegen ertrug ihn Bosnien-Herzegowina sechs lange Jahre und
hatte am Ende mehr als 100 Tausend Tote zu beklagen; die materiellen Schäden
wurden auf mehrere Milliarden geschätzt. In Kroatien verloren etwa 15 Tausend
Menschen ihr Leben, 60 Tausend wurden verletzt. Kroatien hatte sich weitgehend
allein von den serbischen Aufständischen befreit, Ostslawonien integrierte sich
auf friedlichem Wege. Für die Kroaten gab es keinen Zweifel darüber, wer diesen
Krieg, den man in Kroatien den Vaterlandskrieg nennt, gewollt und ausgelöst hat:
nämlich Milošević und die serbischen Nationalisten im Verbund mit ihren
Satelliten in Kroatien.
Die Wirtschaft Kroatiens kam infolge des Krieges fast zum Erliegen. Es gab
keinen Tourismus mehr, und große Teile der Industrie und Landwirtschaft standen
unter dem Beschuss serbischer Kanonen. Die materiellen Verluste wurden auf drei
Milliarden Dollar geschätzt. Ganze Städte, wie Vukovar an der Donau, wurden fast
völlig zerstört, andere stark beschädigt, wie Dubrovnik, Šibenik, Zadar,
Karlovac, Slavonski Brod, Osijek und weitere. Sogar die Hauptstadt Zagreb wurde
beschossen.
Der schwere
Weg Kroatiens zur Staatswerdung
In Kroatien sorgten nun die
"Blauhelme" der Vereinten Nationen (UNPROFOR) für
Frieden, ihre Mission erfüllten sie aber nicht ganz.
Zwar hatten sie den Krieg beendet, jedoch die
serbischen Paramilitärs nicht entwaffnet. 200 Tausend
kroatische Flüchtlinge konnten nicht heimkehren. Die
Kroaten fürchteten eine "Zyprisierung" ihres Landes,
nämlich die Teilung in einen kroatischen und einen
serbischen Teil. Dieser nannte sich fortan "Republik
der serbischen Krajina", wurde jedoch von niemand
anerkannt, nicht einmal von Belgrad selbst. In zwei
militärischen Aktionen endete dieser Spuk in kurzer
Zeit und das mit stillschweigender Zustimmung der
Amerikaner.
Die kroatische Armee hatte dabei ihre "Arbeit" korrekt
erledigt, was man von den nachrückenden Einzelkämpfern leider nicht sagen kann.
Ihre Untaten wurden später vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als
"Kriegsverbrechen" gebrandmarkt. Über dieses Kapitel herrscht in Kroatien eine
geteilte Meinung. Für die einen waren es Kriegsverbrechen, für die anderen
"Verbrechen im Krieg". Die kroatische Justiz hat mehrere hohe Offiziere, sogar
Generäle, verurteilt. Die volle Verantwortung für den Untergang der so genannten
"Serbischen Republik Krajina" lag dennoch bei Miloševićs Regime und seinen
lokalen serbischen Fanatikern, die dem "Schlächter vom Balkan" vertraut hatten.
Einer der Führer der kroatischen
Serben, Milan Martić, hat vor seiner Verurteilung in Den Haag die Kroaten um
Verzeihung gebeten und sich einige Wochen später umgebracht. Auch der
Hauptschuldige in dem post-jugoslawischen Drama, Slobodan Milošević, starb in
Den Haag vor seiner Verurteilung. Demgegenüber haben die Haager Richter in
zweiter Instanz die beiden kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač
für unschuldig erklärt und damit auch die damalige kroatische Politik gegenüber
den einheimischen Serben als rechtens bewertet. Zu einem gegenteiligen Urteil
kamen sie bei sechs beschuldigten kroatischen Funktionären aus
Bosnien-Herzegowina. Es besteht jedoch die Aussicht, dass auch sie in zweiter
Instanz freigesprochen werden.
Kroatien - ein ganz normaler Staat mit
Fehlern
Die ersten
Wahlen in Kroatien vor 22 Jahren waren reibungslos
verlaufen. Zahn Jahre lang herrschte unangefochten der
politisch eigenwillige Präsident Franjo Tuđman, was
sich im Krieg und den Wirren der Nachkriegsjahre nicht
selten als Vorteil erwies. Andererseits wurde unter
seiner Herrschaft eine teilweise kriminelle
Privatisierung durchgeführt, nicht wesentlich anders
als in den übrigen ehemaligen kommunistischen Ländern.
Weder er noch seine Leute waren auf die schweren
postkommunistischen Zeiten adäquat vorbereitet. Die
letzten fünf Jahre seiner Präsidentschaft wurden durch
manche unkluge Entscheidungen belastet. Dazu mögen
sein prekärer Gesundheitszustand als auch seine
intriganten Ratgeber beigetragen haben. Nach seinem
Tod verlor seine Partei, die HDZ, die Wahlen.
Die nachfolgende Sechs-Parteien- Regierung unter Führung des Sozialdemokraten
Ivica Račan brach zwar wegen innerer Streitigkeiten vor Ende seines Mandats
auseinander, sie erfüllte jedoch alle Forderungen aus Brüssel ohne Widerspruch.
Diese Tatsache wurde dann als endgültige Hinwendung Kroatiens zur Europäischen
Union "verkauft". Diese Regierung verlor trotzdem die Wahlen zugunsten der
konservativen HDZ mit dem damals als modern und zukunftsorientiert
Ministerpräsidenten Ivo Sanader an der Spitze bezeichneten. Er wiederholte die
Politik Tuđmans zwar nicht, betonte aber immer wieder die Bedeutung seines
Vorgängers als große historische Persönlichkeit, dem als Gründer des Staates
Anerkennung und Achtung gebührt. Damit drückte er auch die Meinung der
überwiegenden Zahl der Kroaten aus, die allerdings weitaus stärker mit ganz
anderen Problemen beschäftigt waren und sind. Sie verlangen mehr Arbeitsplätze,
bessere Löhne, eine gute Ausbildung für ihre Kinder, eine bessere
Gesundheitsvorsorge - eben alles das, was sich die Menschen auch in den
westlichen Staaten wünschen.
In der Außenpolitik verbuchte Kroatien unter Sanader einige
Erfolge. Der Eintritt in die NATO und eine weitere Annäherung an die EU gehören
dazu. Allerdings trat Sanader ohne Begründung von allen seinen Ämtern zurück.
Seine Nachfolgerin wurde Jadranka Kosor. Sie konnte einige außenpolitische
Erfolge im Streit um kleine Grenzkorrekturen mit Slowenien für sich verbuchen.
Außerdem legte sie auch eine starke Betonung auf die Korruptionsbekämpfung, was
sich jedoch als Bumerang erwies: Die Mehrzahl der wegen Korruption Beschuldigten
stammt aus ihrer eigenen Partei HDZ. Erneut an die Macht gekommen sind frühere
Koalitionäre aus der sozialdemokratischen und liberalen Partei sowie zwei
kleineren Parteien unter Führung des jungen und unerfahrenen Zoran Milanović.
Auch diese Regierung hat bis jetzt keine besonderen Erfolge vorzuweisen, außer
dass sie den Bürgern finanzielle Belastungen aufbürdete. Doch sollte auch dieser
Koalition die zweijährige Bewährungszeit zugestanden werden.
Literatur, die zum besseren
Verständnis Kroatiens beitragen kann:
Jagoda Marinić: Gebrauchsanweisung für
Kroatien, Piper Verlag, München, 2013
Claus Heinrich Gattermann: Kroatien / Zweitausend
Jahre Geschichte an der Adria, Verlag OLMS,
Hildesheim, Zürich, New York 2011
Ludwig Steindorff: Kroatien, Verlag Pustet,
Regensburg, 2001
Jane Oliver: Kroatien , Verlag Mairdumont,
Ostfildern, 2007
Reiseführer: Kroatien, Verlag DuMont, Köln, 2000
Reiseführer: Die Kroatische Adria, Verlag Naprijed,
Zagreb, 1998
Kirchner, Poteschil, Rieder, Zölch, Kroatien
entdecken, Trescher Verlag, Berlin 2003
Uwe Mauch: Zagreb entdecken, Trescher Verlag,
Berlin, 2007
Alida Bremer (Hrsg): Jugoslawische (Sch)erben, Fibre
Verlag, Osnabrück, 1993
Ramet, Clewing, Lukić (Hrs.): Croatia since
Independence, Oldenbourg Verlag, München, 2008
Tvrtko P. Sojčić: Die "Lösung" der kroatischen Frage
zwischen 1939 und 1945, Franz Steiner Verlag,
Stuttgart, 2008
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