Ein Tag im Paradies
Am Horizont ist Kolocep auszumachen,
die kleinste der drei bewohnten Elafiti Inseln. Die
Inselgruppe ist seit je Naherholungsziel für die
Bewohner von Dubrovnik. Bereits im 15. Jahrhundert
verbrachten Adlige und Kirchenfürsten die heissen
Sommermonate auf diesen hübschen, einst von den
Griechen besiedelten Eilanden. Heute kommen die
Besucher meist nur für eine Stippvisite und im Rahmen
einer Tages-Bootstour. Wie ich und die anderen
Passagiere der MS Lorena. Wer jedoch länger auf einer
der Inseln Kolocep, Sipan oder Lopud bleiben will,
findet nicht nur Hotels und Pensionen, Ruhe und
wunderbare Strande, sondern auch eine eindrückliche
Natur und subtropische Vegetation. Überall wachsen
Palmen, Kakteen und Pinien, an den Hängen und in den
Tälern gedeihen Oliven, Wein, Zitrusfrüchte und
Feigen, und in den Gärten und an den Häusern setzen
Bougainvillae und weitere Wunderblumen prächtige
Farbakzente.
So kann man sich das Paradies
vorstellen. Oder den idealen Ort für erholsame Ferien.
Ich jedenfalls war zutiefst zufrieden, als ich am
späten Nachmittag an der Uferpromenade des Hauptortes
von Lopud bei einem kühlen Bier sass und den Blick
über das Meer und das hübsche Hafenstädtchen schweifen
liess.
Lopud war die letzte der drei Inseln,
die Marko an diesem Tag ansteuerte. Mir gefiel das
lichte, duftende Pinienwäldchen, in dessen Schatten
ich auf die andere Inselseite spazierte, ich genoss
den Blick auf die idyllisch gelegene Bucht von Sunj,
auf das türkisblaue Wasser, den schönen Sandstrand und
die vielen vor Anker liegenden Boote und Jachten. Und
während ich mir das Bier am Pier schmecken liess,
dachte ich an die zartbittere Liebesgeschichte von der
armen Maria und dem adligen Ivan, die vor Zeiten auf
Lopud ihr gemeinsames Glück suchten, aber nur
Standesdünkel und Missgunst fanden. Sie gaben nicht
auf, die beiden: Ivan trat in ein Kloster auf einer
Nachbarsinsel ein, und Maria schwamm regelmässig zur
nahen Insel hinüber, und wenn im Winter die Tage
kürzer wurden, entzündete Ivan am Strand ein Feuer und
wies seiner Geliebten damit den Weg. Dann aber kamen
Marias Brüder und ein einst verschmähter Freier den
beiden auf die Schliche. In einer dunklen Nacht
entfachten sie auf einem Ruderboot ein Feuer, fuhren
hinaus aufs Meer und führten Maria in die Irre - und
in den Tod.
Ich hob das Glas und trank auf die
beiden Unglücklichen, verfluchte dabei im Stillen die
Schurken und machte mich auf den Weg zur MS Lorena.
die mit dumpfem Hornklang zum Aufbruch mahnte.
Märchenhaftes Mittelalter
Dubrovnik ist faszinierend. Zumindest
die Altstadt. Schon die Lage auf einer Halbinsel am
Fuss des Berges Srd, umspült vom Meer, umgeben von
gewaltigen Festungsmauern, ist eindrücklich. Und das
Getümmel und Gewusel auf den weiten Plätzen und in den
engen Gassen, die Gaukler und mittelalterlich
gewandeten Musikanten, die Münzpräger und die über den
Stradun paradierende und trommelnde Stadtwache, die
prächtigen historischen Gebäude, die Museen, die
Restaurants, der Markt, der Gang über die Stadtmauern
- Dubrovnik ist ein Erlebnis.
Und wenn der Dramatiker George Bernard Shaw in
dieser oft besungenen "Perle der Adria" einst das
"Paradies auf Erden" gesehen hatte, mag das zwar etwas
übertrieben klingen, ist aber durchaus
nachvollziehbar.

Dubrovnik am Tag ist atemberaubend.
Dubrovnik am Abend jedoch ist wie Tausendundeine
Nacht. Na ja, vielleicht nicht ganz, aber märchenhaft
wird einem auf dieser vom warmen Laternenlicht
beleuchteten Mittelalterbühne durchaus zumute. Selbst
mir, dem nicht nur tiefe Skepsis gegenüber spektakulär
inszenierter Folklore eigen ist, sondern der auch eine
Abneigung gegen jegliche Art ballermannscher
Frohsinnigkeit pflegt.
Aber nein! Ich fühlte mich wohl! Trotz
der Leute. Trotz der Tausenden von Menschen, die sich
durch die Gassen drängten, die Plätze bevölkerten, die
Restaurants besetzten und über den Stradun flanierten
- sie störten mich nicht. Im Gegenteil. Vielleicht,
weil ich nur lachende und zufriedene Leute sah. Weil
alle glücklich und heiter schienen. Weil keine Spur
von Hektik in der Luft lag, bloss fröhliche
Gelassenheit. Und weil dies so ansteckend war. Ich
freute mich mit und ob der Leute. Schlenderte
entspannt durch das Gewusel, in der Hand eine der
besten Glaces, die ich je gekostet habe. Genoss die
ausgezeichnete Küche des Restaurants Proto. Trank im
Cafe Royal einen hervorragenden Wein. Begeisterte mich
am alten Hafen ob der raffiniert beleuchteten Kulisse
und den im dunklen Wasser zerfliessenden Lichtern. Und
bewunderte die Flugkünste der Mauersegler, die auf der
Jagd nach Insekten durch die Gassen und über die Köpfe
der Flaneure und Müssiggänger pfeilten, an den
Häuserfassaden himmelwärts stiegen, um sogleich im
eleganten Sturzflug eine neue Jagdrunde einzuleiten.
Kurz: Ich war hin und weg. Und das lag nicht etwa am
genossenen Roten, es lang am Zauber, der über der
Stadt lag. Dubrovnik am Abend ist eine Hymne an die
Freude, gerichtet an alle Sinne.
Inseljuwel von Weltruf
Einige Tage später, anderer Ort,
ähnlich mittelalterliche Szenerie, dieselbe leicht
euphorische Stimmung. Ein lauer Sommerabend in
Korcula, dem Hauptort der gleichnamigen Insel. Ich
sitze auf der Dachterrasse des Restaurants Adio Märe,
in der Hand ein Glas weisser Posip, vor mir ein
Gedicht von Fischgericht und hinter mir eine Reise,
die mich von Dubrovnik der Küste entlang auf die
Halbinsel Peljesac und nach Orebic führte. Dazwischen
war ich in Ston bei brütender Hitze auf der fünf
Kilometer langen Festungsmauer herumgeklettert, hatte
die Austernzucht von Mali Ston besucht und, kurz vor
Orebic, einen Abstecher zur Tauchbasis Adriatic
gemacht, einer wunderschön an der Küste gelegenen
Anlage mit Campingplatz, Restaurant, lauschigen Strand
und einem eigens für die Tauchschüler
herbeigeschafften Schiffswrack. Dann Orebic und ein
Surfer-Spot, danach die Fähre hinüber nach Korcula,
einer Insel, die zu den schönsten der Adria gehört und
deren gleichnamiger Hauptort als Museumsstadt
weltberühmt ist.

Aber es sind nicht nur Korculas'
Kulturschätze, welche die Insel zu einem Muss für
Adria-Reisende machen, es ist die Insel an sich. Die
Strände. Die vielen versteckten Badebuchten. Die
hübschen Küstendörfer. Das hügelige, dicht bewaldete
Hinterland mit den vielen Wander- und
Bikemöglichkeiten. Der Wein. Und, natürlich, der
Hauptort, der wie Dubrovnik auf einer Halbinsel klebt,
umgeben von einer intakten Stadtmauer und durchzogen
von einem Netz enger Gassen.
Das Städtchen hat sich den
mittelalterlichen Charme bewahrt, trumpft auf mit
Festivals, Märkten und Ritterspielen, und wer abends
durchs Haupttor in die Altstadt tritt, wird bisweilen
empfangen von einer Gesangsgruppe, die mit Können und
Inbrunst traditionelles Liedgut zum Besten gibt. Wie
in Dubrovnik liegt abends auch über Korcula ein
Zauber.
Von Weinen und Weltreisenden
Die Dachterrasse des ist
bestens besetzt, und die nahe Ruine von Marco Polos
Geburtshaus ebenso hübsch beleuchtet wie die
Sveti-Marko-Kathedrale. Es geht hoch, aber vornehm
heiter zu und her, und die beiden Amerikanerinnen
neben mir - zwei Damen aus Kalifornien auf
Südeuropareise - geraten schier aus dem Häuschen ob
der dalmatischen Köstlichkeiten auf ihren Tellern und
des tiefroten Plavec Mali in ihren Gläsern.
Ein Prost auf die Damen!
Ich selbst halte mich an den Posip,
den Weisswein aus der Gegend, den mir mein Gegenüber,
Aljosa Milat, empfohlen hat. Herr Milat, ein profunder
Kenner lokaler Speisen, regionaler Weine und
internationaler Gepflogenheiten stammt aus Korcula,
kennt Insel und Städtchen wie die eigene Hosentasche,
hält aber mit seiner Meinung zurück, bis er gefragt
wird. Bloss einmal erhebt er leicht die Stimme, dann
nämlich, als eine der beiden Amerikanerinnen leisen
Zweifel an Marco Polos dalmatischer Herkunft äussert.
Milat klärt die Sache kurz, bündig und mit Nachdruck
und bringt Marco Polo ohne grosse Umschweife, aber mit
Überzeugungskraft wieder zurück nach Hause. Die Dame
schickt sich drein. Sie nimmt es Milat nicht übel, sie
nötigt ihn, vom marinierten Rindfleisch zu kosten, das
ihr so vorzüglich mundet. Danach liess sie ihn von den
kroatischen Weinen im Allgemeinen und vom edelsüssen
Inselwein Grk im Besonderen erzählen. Was der
önologisch beschlagene Mann von Welt dann auch in
bestem Englisch, detailreich und mit amüsanten
Fussnoten tat.

Na dann, Prost
die Damen. Auf Milat! Auf Dalmatien! Auf Marco Polo
und die Wohlfühlküste!
Text und Fotos Heinz Storrer
Schweizer Familie 17/2011
Weitere Fotos aus Dalmatien finden Sie
auf
www.schweizerfamilie.ch/reisen
Dalmatien -
Traumhafte Küste der Adria
Sonne, Meer und viel Kultur
Dubrovnik: Dichter haben die Stadt in den
höchste Tönen besungen, und die Unesco führt Dubrovniks Altstadt als
Weitkulturerbe: Keine Frage, diese mittelalterlich anmutendes Hafenstadt mit den
vielen guten Restaurants, der reichen Geschichte und der entspannten Atmosphäre
ist ein Highlight am Mittelmeer.
Vor Dubrovnik liegen die Elafitisehen Inseln Sipan,
Lopud und Kolocep, die seit je heute Ruhe suchende Ausflügeler und Feriengäste
anlocken. Tages-Bootausflüge ab Dubrovnik.
Peljesac: Rund 50 km nördlich von
Dubrovnik ragt die 70 km lange Halbinsel ins Meer. Die
Festung Ston und schmucke Hafenstädtchen wie Orebic
sowie Muschelzuchten, Salinen und grosse
Weinanbaugebiete prägen die zweitgrösste Halbinsel
Kroatiens.
Insel Korcula; 47 km lang, 8 km breit
mit schönen Stranden und lauschigen Buchten,
abwechslungreicher Landschaft und
überdurchschnittlicher Sonnenscheindauer. Der Hauptort
Korcula, ein mittelalterliches Städtchen, gilt als
Geburtort des Entdeckers und Seefahrers Marco Polo und
ist berühmt wegen der Moreska, eines symbolreichen
Säbeltanzes.
Unterkunft: Von Luxus-Hotels bis zu
einfachen Pensionen, von
AII-inclusive-Familien-Anlagen bis zu Campingplätzen
mit Tauchbasen - an der kroatischen Adriaküste finden
sich Unterkünfte für jeden Geschmack. Die Hotelpreise
variieren je nach Saison.
Anreise: Mit
der Croatia Airline entweder direkt oder via Zagreb
nach Dubrovnik (Linienflug).
Allgemeine Auskünfte: Kroatische Zentrale für Tourismus, Badenerstrasse 332,
Zürich, 043 336 20 30,
www.kroatien.hr
Diese Reise der "Schweizer Familie" wurde von der Kroatischen
Zentrale für Tourismus unterstützt.

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