Die Bundesanwaltschaft führt bis heute in der Mordserie
in 6 Ermittlungskomplexen 14 Personen als Beschuldigte,
nach 6 von ihnen wird weltweit gefahndet. Darunter zwei
hochrangige ehemalige Offiziere des kroatischen
Geheimdienstes. In ihnen sieht die Bundesanwaltschaft
die Drahtzieher der Morde in Westdeutschland.
Als wichtigster Figur der blockfreien
Länder fiel Tito die Rolle des geschätzten Vermittlers
zwischen Ost und West zu.
Niemand konnte - oder wollte - damals erkennen, dass
er zur gleichen Zeit seine Gegner auch in der
Bundesrepublik ermorden ließ. Solange Tito noch lebte,
"traf allein dieser entsprechende Verfügungen", heißt
es in einem kaum bekannten Urteil des Münchner
Oberlandesgerichts vom Juli 2008. Tito habe die
Killerkommandos persönlich abgesegnet, die
Befehlsketten reichten vom Machthaber über Partei und
kroatischen Geheimdienst direkt zu den
Auftragsmördern.
Einer der international mit Haftbefehl
Gesuchten ist Josip Perković. Von den siebziger Jahren
an führte er Agenten in Deutschland. Von 1979 bis 1986
leitete er die Abteilung II "Feindliche Emigration"
beim Geheimdienst SDS in Zagreb, sie war zuständig für
die Bekämpfung von Regimegegnern im Exil. Diese
Dissidenten sollten auf keinen Fall den Ruf Titos oder
der jugoslawischen Regierung im Westen beschmutzen.
Das war die Mission von Perković, die ihn später sogar
an die Spitze des Geheimdienstes in Zagreb brachte.
Nirgends ist Perkovićs Bekämpfung der
Exilkroaten so gut dokumentiert wie in der
Untersuchung zum Tod von Stjepan Dureković, der 1983
im bayerischen Wolfratshausen erst niedergeschossen
und schließlich erschlagen wurde. Das Urteil des
Oberlandesgerichts München von 2008 ist 118 Seiten
dick, es rekonstruiert minutiös die Tatvorbereitungen
und die Rolle des Geheimdienstes unter Perković.
Am 14. Dezember 1982 beschloss der
"Rat für die Verteidigung der verfassungsmäßigen
Ordnung" der sozialistischen Teilrepublik Kroatien -
so das Münchner Urteil - die "Liquidierung" von
Dureković. Später wurde "die Liquidationsanordnung" in
Belgrad "formell bestätigt".
25 Jahre später konnten die Münchner
Richter den Mord zwar so gut es ging aufklären und
auch die politischen Hintergründe erhellen. Ohne
Unterstützung aus dem heutigen Kroatien aber
vermochten sie die konkreten Auftraggeber nicht zur
Rechenschaft zu ziehen; Rechtshilfeersuchen an die
nationalen Behörden verliefen meist im Sande. Und
Perković dachte nicht daran, zur Aussage nach
Deutschland zu kommen. Bis zu seinem Ruhestand war er
Berater des kroatischen Verteidigungsministeriums,
sein Sohn ist Sicherheitsberater des Präsidenten. Eine
echte Aufarbeitung der Geschichte schien in Zagreb
nicht gewünscht.
Von
Wassermann, Andreas
DER SPIEGEL 49/2010
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