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SKIRENNFAHRER IVICA KOSTELIC - WIE AUS DEM LEHRBUCH      (05.02.2011.)

Ivica Kostelic ist derzeit der beste Skifahrer der Welt. Fleißarbeit und Vielfahrerei haben den Kroaten ganz nach vorne gebracht. Kaum jemand zweifelt daran, dass er Sieger des Gesamtweltcups wird.

"Er ist derzeit so gut drauf, dass du ihm auch ein Snowboard anschnallen könntest, und er würde vorne mitfahren"


Es sind große Worte und starke Sätze, die dem Skirennläufer Ivica Kostelic derzeit zuteil werden. "Er ist im Moment der beste Skifahrer der Welt", sagt der Schweizer Silvan Zurbriggen, immerhin Dritter in der Weltcup-Gesamtwertung. "Ich sage seit Jahren, dass er meiner Meinung nach einer der besten Allrounder im Weltcup ist", sagt der amerikanische Skistar Bode Miller. Und Österreichs Slalom-Cheftrainer Christian Höflehner ist der Ansicht: "Er ist derzeit so gut drauf, dass du ihm auch ein Snowboard anschnallen könntest, und er würde vorne mitfahren."

Ivica Kostelic, 31 Jahre alt, geboren in Zagreb (Kroatien), hat in diesem Jahr das Kunststück fertiggebracht, innerhalb von 22 Tagen sechs Weltcup-Wettbewerbe zu gewinnen. Darunter, als Slalomspezialist, den Super-G in Kitzbühel, einen Tag nur nach dem schweren Sturz des Österreichers Hans Grugger im Abfahrtstraining. Nun führt Kostelic die Gesamtwertung mit 1078 Punkten vor den Schweizern Didier Cuche (673 Punkte) und Zurbriggen (658) an, und nachdem zu Saisonbeginn noch viele gejammert hatten, dass es in diesem Winter keinen Fahrer gebe, der den Weltcup wirklich präge, dass sich Abfahrts- und Technikspezialisten je nach Rennwochenende einfach an der Spitze der Gesamtwertung abwechselten, so haben nun genauso viele keinen Zweifel mehr, wie der Sieger des Gesamtweltcups 2011 heißen wird: Ivica Kostelic.

Beinharte Jugendjahre

So freut sich die Nummer Eins: Kostelic nach seinem ersten Platz im Slalom-Rennen von Chamonix
Es gibt eine Menge Geschichten über Kostelic, und nicht wenige davon handeln von seinen beinharten Jugendjahren unter Vater und Trainer Ante Kostelic, der Ivica und dessen jüngere Schwester Janica von Beginn an betreute. Von Übernachtungen im Freien, um Hotelkosten zu sparen und die Liftkarten finanzieren zu können, von riesigen Trainingsumfängen, vom Zwölfjahresplan des Vaters mit dem Ziel, 2002 eine Olympiamedaille zu gewinnen. Diese Vorgabe übertraf das Geschwisterpaar schließlich bei weitem: Janica wurde bis zu ihrem Rücktritt 2007 fünfmal Weltmeisterin, viermal Olympiasiegerin und dreimal Gesamtweltcupsiegerin, Ivica gewann 2002 den Slalom-Weltcup und wurde 2003 Slalom-Weltmeister. Doch beide wurden im Lauf der Jahre auch immer wieder durch schwere Verletzungen zurückgeworfen, Ivica erlitt allein vier Kreuzbandrisse. Jedesmal kämpfte er sich zurück.

So erstaunt es kaum, dass er als Grundlage seines aktuellen Erfolgs vor allem eins nennt: viel Arbeit. "Wir haben im Frühjahr und im Herbst sehr hart trainiert", sagt er. "Der Januar ist der wichtigste Monat im Weltcup, also haben wir das Training so ausgelegt, dass ich dann in Top-Form bin." Nur so vermag er den enormen Belastungen standzuhalten, die seine Vielfahrerei mit sich bringt. In der vergangenen Woche bestritt er in Kitzbühel und Schladming in sechs Tagen fünf Rennen, inklusive Abfahrtstraining. Während Konkurrenten wie der Schweizer Carlo Janka, der Österreicher Benjamin Raich oder Bode Miller die Rennen in Chamonix am Wochenende zugunsten der Regeneration ausließen, stand Kostelic auch dort auf der Matte und kam bei der Abfahrt am Samstag auf den 28. Platz. Die kräftezehrende Terminhatz ist für ihn ein Grund, warum Allrounder inzwischen rar geworden sind im Weltcup. "Es ist hart, es bringt viel Risiko mit sich, und du musst viel mehr trainieren", sagt er.

Wer Kostelic im Rennen verfolgt, kommt zwangsläufig ins Schwärmen

Doch es ist nicht nur Fleißarbeit, die Kostelic ganz nach vorne brachte. Wer ihn im Rennen verfolgt, seine ruhige, elegante, beherrschte, ökonomische Fahrweise, kommt dabei zwangsläufig ins Schwärmen - auch als Slalomspezialist. "Kostelic", sagt Felix Neureuther, "ist ein Lehrbuch-Fahrer. Der steht so sauber, so zentral über dem Ski, den kannst du in jedes Video für Skilehrer aufnehmen. Das ist eine Augenweide, wie der Ski fährt." In den technischen Disziplinen, aber auch in den Speedrennen.

"Seine Art zu gewinnen ist ganz anders als meine", sagte Bode Miller in Kitzbühel. "Er fährt sehr konstant, von oben bis unten, er macht keine Fehler, er kommt fast nie von seiner Linie ab." Als Miller Kostelics Super-G-Lauf in Kitzbühel sah, hätte er nie gedacht, dass danach keiner mehr schneller sein würde. "Du hast Stellen gesehen, an denen er deutlich zurückgezogen hatte, er kam mehrmals ins Rutschen mit den Ski. Man musste einfach glauben, dass ein anderer noch besser sein würde. Aber er hat großartige Ski, er ist wirklich schnell, und er macht einfach keine Fehler, nicht mal einen kleinen Wackler."

"Für mich ist der Weltcup wichtiger als die WM"


Kostelic hat viel Erfahrung gesammelt seit seinem Weltcup-Debüt 1998, er ist einer der Routiniers im Alpinzirkus, einer der einprägsamen Typen. Er spricht perfekt Englisch und hinreichend Deutsch, und er hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Nach dem schweren Sturz von Hans Grugger in Kitzbühel äußerte er sein Unverständnis darüber, dass der Sprung an der Mausefalle vor dem Rennen nicht mehr verändert wurde. Als der Renndirektor des Internationalen Skiverbandes, Günter Hujara, davon Wind bekam, schwang er zunächst die große Keule, drohte wegen vermeintlich unstatthafter Angriffe auf die Jury mit Ermittlungen und Geldstrafen. Nachdem Hujara den genauen Wortlaut von Kostelics Kritik erfahren hatte, verebbten die Wellen schnell. Auch Kostelic gab sich später konziliant, lobte die Sicherheitsanstrengungen der Fis und die verbesserten Beziehungen der Fahrer zum Renndirektor. Nicht ohne darauf hinzuweisen: "Das Recht, seine Meinung zu sagen, ist einer der Ecksteine der menschlichen Zivilisation. Wenn jemand das anders sieht, haben wir ein Problem."

Kostelic wäre der erste Kroate, der den Gesamtweltcup gewinnt


In einer guten Woche steht nun die WM in Garmisch-Partenkirchen an, und der Verdacht liegt nahe, dass so manche der Hymnen auf Ivica Kostelic auch ein wenig damit zu tun haben könnten. Nach dem Motto: Je größer alle diesen Kostelic machen, desto leichter können sie sich, wenn es um die Goldfavoriten geht, hinter ihm verstecken. Kostelic sieht das Spiel gelassen: "Für mich ist der Weltcup wichtiger als die WM. Weltmeister war ich schon." Gesamtweltcupsieger noch nicht. Kostelic wäre der erste Kroate, dem das gelingen würde. "Die Hauptsache ist für mich jetzt, gesund zu bleiben", sagt er. Das ist angesichts seines Programms schwer genug.

 

So freut sich die Nummer Eins: Kostelic nach seinem ersten Platz im Slalom-Rennen von Chamonix

Von Bernd Steinle, FAZ, 01. Februar 2011

Bildmaterial: AFP, dapd

 

Rennen in Chamonix  -  VIDEO

 

 

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