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WIRTSCHAFTLICH MOTIVIERTE OFFENSIVE KROATIENS        (22.01.2011.)

Wiederherstellung der Strassenverbindung nach Dalmatien als Ziel des Vorstosses bei Zadar

Das Ziel der am Freitag gestarteten militärischen Offensive im Hinterland der Küstenstadt Zadar besteht nach kroatischen Angaben darin, den Flugplatz von Zemunik und vor allem das Gebiet auf beiden Seiten der im kroatisch-serbischen Krieg im Herbst 1991 zerstörten Brücke bei Maslenica unter Kontrolle zu bringen. Die geplante Errichtung einer neuen Brücke ist für Kroatien von erstrangiger wirtschaftlicher Bedeutung, denn die an dieser Stelle unterbrochene Küstenstrasse ist die einzige noch verblebende Landverbindung zwischen Dalmatien und dem übrigen Kroatien.

Laut offiziellen Zagreber Angaben handelt es sich bei dem Vorstoss der kroatischen Armee im Hinterland der Küstenstadt Zadar vom vergangenen Freitag um eine lokal begrenzte militärische Aktion zur Sicherung des Zugangs zu der im Herbst 1991 von den Verbänden der auf dem Territorium Kroatiens einseitig ausgerufenen gesprengten Brücke über den Velebit-Kanal bei der Ortschaft Maslenica sowie zur Wiedereröffnung des Flugplatzes von Zemunik. Gemäss einem Beschluss der kroatischen Regierung soll in Kürze in einer ersten Phase mit dem Bau einer behelfsmässigen Brücke begonnen werden. Sowohl die Strasse von Zadar nach Maslenica als auch jene nach Zemunik liegen innerhalb der dortigen , das heisst in einem Gebiet, das zwar von den Serben besetzt und bis zum Freitag kontrolliert wurde, das aber nicht zur Uno-Schutzzone Süd gehört.


Gemäss der Zagreber Interpretation der entsprechenden Uno-Resolution müsste in dieser die kroatische Souveränität in vollem Umfang wieder hergestellt werden. Bisher sei aber in dieser Hinsicht nichts geschehen, und die bereits vor -Monaten ins Leben gerufene gemischte Kommission sei wegen der Obstruktionspolitik der selbsternannten Führer der in ihren Bemühungen um eine politische Lösung nicht vom Fleck gekommen. Auch wird in Zagreb betont, dass Vance und Owen dem geplanten Bau der Brücke bei Maslenica ihre Zustimmung gegeben hätten. Kroatien habe also in Einklang mit dem Uno-Plan gehandelt, der in der von den Serben besetzten Gebieten die Entwaffnung der paramilitärischen Verbände sowie eine Rückkehr aller Vertriebenen vorsieht.

Hohe Transportkosten

Für Zagreb ist der Bau einer neuen Brücke beim Ort Maslenica, der etwa 30 Kilometer nördlich von Zadar liegt, von überaus grosser wirtschaftlicher Bedeutung, geht es doch dabei um die Wiederherstellung der einzigen noch verbliebenen Strassenverbindung von Zagreb nach Dalmatien. Die andere Strasse an die adriatische Küste, die über das Gebiet der führt, ist ebenso wie die einzige Eisenbahnverbindung zwischen Zagreb und Split schon seit längerer Zeit unterbrochen. Gegenwärtig kann man Dalmatien auf dem Landweg nur über die Insel Pag erreichen, was jedoch insofern umständlich ist, als man auf eine Fähre angewiesen ist, auf die man oft lange warten muss oder die, im Falle ungünstiger Wetterverhältnisse, überhaupt nicht verkehren kann. Auch ist die Brücke, die wieder auf das Festland hinüberführt, nur einspurig befahrbar.
Die Folge von all dem ist, dass Dalmatien, vor allem im Winter, immer wieder während Tagen vom übrigen Kroatien abgeschnitten ist und dass die Transportkosten überaus hoch sind. Zagreb gibt den Schaden, welcher der Wirtschaft durch die Unterbrechung der Strassenverbindung im Gebiet von Maslenica täglich zugefügt wird, mit zwölf Millionen Dollar an. Von kroatischer Seite wird zur Rechtfertigung der militärischen Aktion auch darauf hingewiesen, dass ein grosser Teil der humanitären Hilfe für Bosnien-Herzegowina über die dalmatinische Küstenstrasse an ihren Bestimmungsort gelangt.

Falls es den kroatischen Truppen gelingen sollte, das Gebiet um Maslenica und Zemunik unter ihre Kontrolle zu bringen, dann dürfte dies auch Auswirkungen auf das Leben der Bewohner Zadars haben, denn der vom wirtschaftlich wichtigen Hinterland abgeschnittenen Küstenstadt Zadar war buchstäblich die Kehle zugeschnürt.
Die Frontlnien waren nämlich bis zum Freitag dort, wo die letzten Häuser standen, etwa zwei Kilometer vom Zentrum entfernt und unweit der Industriezone verlaufen. Aber auch an einigen anderen Stellen weiter südlich befinden sich die vordersten Stellungen der Serben der nahe an der Küstenstrasse und am Meer.

Widersprüchliche Angaben

Bereits am Samstag hatte die Zagreber Presse gemeldet, dass die kroatischen Einheiten fast die gesamte im Hinterland von Zadar ohne grössere Gegenwehr unter ihre Kontrolle gebracht und neun kroatische Dörfer befreit hätten. In der Nähe der zerstörten Brücke von Maslenica wehe bereits die kroatische Fahne. Auffällig aber war, dass die kroatische Presse überaus zurückhaltend über die angeblich erfolgreiche Operation berichtete und dass am Fernsehen überhaupt keine Bilder über den Vorstoss gezeigt wurden. Am Sonntag hiess es dann, die kroatischen Verbände seien daran, die Zufahrtsstrassen von Zadar nach Maslenica und Zemunik zu befreien, was im Klartext wohl bedeutet, dass es zu heftigen Kämpfen gekommen ist. Am Samstag und Sonntag wurde die Stadt Zadar erstmals wieder seit acht Monaten mit schweren Waffen beschossen, wobei es unter der Zivilbevölkerung auch Verletzte gegeben hat Zweifellos besteht die Gefahr einer Ausweitung des bewaffneten Konflikts.

NZZ, 25.01.1993

 

 

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