Am Sonntagmittag musste das Införmationsministerium in
Zagreb melden, die letzten kroatischen Nationalgardisten
seien nach dem bisher schwersten Raketenbeschuss nicht
länger in der Lage, die Stadt zu halten.
Systematische Razzia nach
Widerstandskämpfern
Die auf serbischer Seite kämpfenden
Verbände der jugoslawischen Volksarmee drangen
inzwischen bis ins Stadtzentrum vor, bislang hatten
sie lediglich die Überlegenheit ihrer schweren Waffen
ausgenützt, den direkten infanteristischen Kampf aber
stets gemieden. Eine Radioreporterin des kroatischen
Rundfunks berichtete am Sonntagnachmittag aus Vukovar,
Soldaten der Volksarmee und serbische Freischärler
kämmten systematisch Haus um Haus durch und führten
jeden erwachsenen Mann ab, der im Verdacht stünde, an
der Verteidigung der Stadt mitgewirkt zu haben.
Dramatische Hilfsappelle
Regierungskreise in Zagreb
befürchteten, die Serben könnten in Vukovar das
bislang grösste Massaker dieses Krieges anrichten.
Präsident Tudjman richtete flammende Hilfsappelle an
den deutschen Bundeskanzler Kohl, US-Präsident Bush
und Uno-Generalsekretär Perez de Cuellar. In den
Schreiben hiess es, der drohende Fall von Vukovar
könnte eine Serie von Grenzänderungen in Europa
auslösen, die den ganzen Kontinent in einen blutigen
Konflikt stürzen würden.
Bedingungslose Kapitulation verlangt
Ein von der kroatischen Führung dem
Oberkommando der Volksarmee am Sonntag gemachtes
Verhandlungsangebot wurde von diesen abgelehnt; die
Armee bestehe auf der bedingungslosen Kapitulation
Vukovars, hiess es am Abend in Zagreb.
Delegierte des internationalen
Komitees vom Roten Kreuz suchten bislang erfolglos
eine Feuerpause zur Evakuierung der Zivilbevölkerung
zu erwirken.
Nach unbestätigten Berichten aus
Zagreb sollen die verbliebenen kroatischen Einheiten
den Befehl erhalten haben, sich durch die Linien der
jugoslawischen Armee und der serbischen Freischärler
in Richtung Vinkovci durchzuschlagen.
Auch in anderen Teilen Slawoniens, so
in Osijek, Nova Gradiska und Pakrac zeichnete sich
nach der nicht eingehaltenen Waffenruhe eine neue
Grossoffensive Serbiens ab. Kroatische Verteidiger
sprengten am Sonntagnachmittag eine 900 m lange
Strassenbrücke über die Save, um einen Panzerangriff
der Volksarmee von bosnisch-herzegowinischem
Territorium aus zu verhindern.
Arthur
Meyer, Wien (18.11.1991)
19.11.2010. |