Wie nie zuvor schwebt heute ein Mysterium über
Kroatien: Wer war eigentlich überhaupt der Stifter
kroatischer Unabhängigkeit? Das kroatische Volk? Oder
war Kroatien ein akademischer Fall des "reaktiven
Nationalismus", den man dem Serben Slobodan Milosevic
und seiner jugoslawischen Armee zu verdanken hat? Ein
"kausaler Nexus" würde man fast sagen, da die Idee des
kroatischen Nationalismus ohne den "bösen Serben" kaum
lange überleben hätte können. Hätte es 1991 keinen
aggressiven Serbenanschlag gegen Kroatien gegeben, wäre
es heute fraglich, inwieweit und in welchem Maße
Kroatien als selbständiger Staat auf der Landkarte
existieren würde.
Anbiederung
an die EU-Machthaber
Das war damals. Heute sind sowieso die meisten
Politiker in Kroatien "gute Westler" geworden. Es
lohnt sich nicht mehr, laut über sein "Volkstum" zu
reden oder über die ewige "kroatische Seele" zu
plaudern. Das kann - wie es auch im modernen EU-Europa
Brauch ist - von verschiedenen
Nichtregierungsorganisationen als Zeichen des
Rechtsextremismus umgedeutet werden. In den Augen der
Brüsselbonzen ist die kroatische Kleinstaaterei nur in
der EU auflösbar.
Um von dieser EU gute Zeugnisse für politisch
korrektes Benehmen zu bekommen, bemühen sich die
aktuellen kroatischen Machthaber täglich aufs Neue,
den öffentlichen Diskurs auf Linie zu halten. Die
ehemalige kommunistische Syntax ist noch immer da,
aber die neue Sprachregelung verlangt den Gebrauch
völlig neuer Worte, wie "Globalismus",
"Multikulturalismus" , "EU-atlantische Integration",
,,Transparenz" oder "freimarktwirtschaftliche
Demokratie" - ein Wortschatz täglicher Kommunikation.
Die ewigen "Ehemaligen ", die vor dem Zerfall
Jugoslawiens über die Ewigkeit der Selbstverwaltung
vom "Titoismus mit humanem Antlitz" redeten und dann
plötzlich, von 1990 bis 1995, sich selbst in
revisionistischem Antikommunismus versucht hatten,
dozieren jetzt über die Unvermeidlichkeit der
liberalen Demokratie. Eine neue Form des
Gesinnungsterrors, ähnlich dem in der EU, ist
entstanden. Dieser erinnert in vielen Aspekten an die
totalitären Zeiten des zerbrochenen Jugoslawien.
Die neuen
Götzen
In den neuen Ländern des ehemaligen Jugoslawien
sterben die Altkommunisten anscheinend nie. Auch
Kroatien ist tief vom jugokommunistischen und
balkanesischen Geiste infiziert. Einst war es die
große Pflicht für alle kroatischen Politiker, die
Pilgerfahrt nach Moskau oder Belgrad zu unternehmen;
heute machen sie den politisch korrekten Umweg zu
anderen Heiligkeiten, bzw. nach New York und Tel Aviv.
Dort wohnen die neuen Götzen, die man nun bewundern
und denen man hörig sein muß. Überall herrscht die
Stimmung, auch im ganzen Parteiwesen Kroatiens, daß
man nur durch das Rezitieren der Litanei der
Menschenrechte und die Predigt der Multikultireligion
den Beitritt des Landes in die EU sicherstellen kann.
Mann könnte sich daher fragen: Was war eigentlich
das Ziel der kroatischen Unabhängigkeit? Los von
Jugoslawien und Gründung eines selbständigen Staates,
oder los von Jugoslawien und Eintritt in ein noch
schlimmeres "Euroslawien"?
Wie ihre Vorgänger haben die Politiker der neuen
kroatischen Elite, aus soziologischer und
anthropologischer Sicht gesehen, ein solides Pedigree
aus kommunistischen Systemzeiten. Trotz ihrer
ultra-liberalen Phraseologie können sie kaum ihren
kommunistischen Phänotyp verbergen. Ihre gemeine und
internationalistische Gesichtsmorphologie, obgleich in
verschiedenen Modifikationen, kann man täglich
beobachten.
Noch immer beherbergt das traditionsreche kroatische
Volk ein paar nationalistische Intellektuelle, und so
manch berühmten Sportler.
Doch sobald sich eine von diesen Personen kritisch
gegenüber den neuen politischen EU-Floskeln äußert,
wird sie sofort als "faschistisch" gebrandmarkt.
Stattdessen verlangt die EU von servilen kroatischen
Politikern ständige Sprüche über die Gefahr eines
neuen "Ustashastaates". Die großen Massaker, die die
Kommunisten am kroatischen Volk begangen haben, werden
kaum noch erwähnt. Die genetische Katastrophe Mitte
und Ende 1945, die von den Kommunisten begangen wurde,
ist wieder ein Tabuthema geworden, da die Enkel und
Kinder der Titopartisanen heute fest in der Regierung
sitzen und dazu noch einen guten Ruf bei den
Spätdemokraten der EU-Schickeria genießen.
Und der schöne neue Westen? Die EU- und
UN-Diplomaten haben gute Kumpanen in den kroatischen
Post-Kommunisten gefunden. Die waren aber schon echte
Freunde während der Zeiten, als Tito für viele
westliche Meinungsmacher und Politiker als großer
Staatsmann galt. Damals war der größte Anhänger des
Titiosmus und Jugokommunismus die westliche Linke -
sogar mehr als ihre jugoslawischen bzw. kroatischen
kommunistischen Brüder im Geiste selbst! Deswegen sind
die beiden Seiten, ob im Osten, ob im Westen, beide
genauso korrupt wie kriminogen, und decken und
legitimieren volens nolens ihre gemeinsame Unpolitik
durch promiskuitive paleo-marxistische Symbiose,
dieses Mal euphemistisch "Globalismus" und
"Multikulturalismus" genannt.
Parallelen
zur Lage in BRD
Ähnlich der kroatischen postkommunistischen Elite
haben auch die EU-Meinungsmacher große Furcht von
ihren eigenen Nationalisten. Um dem Rechnung zu
tragen, wird in Deutschland und auch in Kroatien auf
allen offiziellen Wellenlängen über den realen und
surrealen gesellschaftlichen Rechtsruck und eine
angebliche "Nazigefahr" geredet. Auch wenn es keine
"Rechtsradikalen" gäbe, würden sie schnell erfunden
werden.
Diese negative "anti"-Legitimität ist ein typischer
Gesinnungsterror eines todgeweihten liberalen Systems,
und dient dem Zweck, die politischen Klassen in Europa
und den Status quo am Leben zu halten - ob in Berlin,
Belgrad, Paris - oder in Zagreb. Echte kroatische
Nationalisten, von denen es nur wenige gibt, sind
nicht käuflich - und das wissen die EU-Oberen sehr
gut.
Viele Parallelen kann man zwischen dem neurotischen
Deutschland und dem vergleichsweise normalisierten
Kroatien, das jetzt von Brüssel Meinungsmachern
neurotisiert wird, ziehen. Es versteht sich von
selbst, daß die Deutschen von den Kroaten immer als
"Brüder" betrachtet wurden. Klar, geographisch ist
Kroatien ein Land des Donau-Beckens, das völlig von
der mitteleuropäischen Kultur durchdrungen ist. Aber
es ist vor allem die Idee des Reiches, die den
kroatischen Nationalismus am Leben hält. In den Augen
der kroatischen Nationalisten ist Deutschland, aus
geographischer Sicht gesehen, nicht nur ein großes
Land, sondern die Verkörperung Europas schlechthin.
Ein kleines Randvolk, wie die Kroaten es sind, wird
nie eine große Rolle in der Politik spielen, da sich
alles was sich in Berlin abspielt, am nächsten Tag in
Kroatien abspiegelt. Und das war immer so in der
Geschichte Kroatiens. Wenn Deutschland morgen oder
übermorgen seine geistige und völkerrechtliche
Unabhängigkeit zurückerobert, und sich von den
euroatlantischen Strukturen befreit, wird sich das
automatisch auf Kroatien auswirken. Zurzeit sind die
beiden Staaten verpflichtet, mehr päpstlich als der
Papst zu sein, bzw. mehr Zeichen der Scheinliebe für
die liberale Demokratur zu zeigen, als andere Länder
der sogenannten internationalen "Wertegemeinschaft".
Viele nationalgesinnte Kroaten begreifen, im
Gegensatz zu ihren korrupten antinationalen
Politikern, daß in der EU kroatisches Volkstum
schneller verschwinden wird als im ehemaligen
Jugoslawien. Paradoxerweise sind die Leute, die am
meisten auf der kroatischen Scheinselbständigkeit
beharren, nicht die kroatischen Nationalisten, sondern
der Nachwuchs der Jugogarde. Im heutigen unabhängigen
Kroatien hat die posttitoistische Elite, die fast nur
aus Söhnen und Töchtern ehemaliger kommunistischer
Henker besteht, einen politischen Spielraum, von dem
sie im zentralistischen Jugoslawien nicht einmal
fantasieren konnte. Sie genießt jetzt politische und
kleptokratische Autonomie, von der sie in
kommunistischen Zeiten nicht einmal zu träumen wagte.
Nicht mehr nötig ist es heute, nach Belgrad zu reisen
und dort um politische Genehmigung zu bitten. Jetzt
können alle überall autonom paradieren und plaudern -
und plündern, ohne ihre ehemaligen
serbo-kommunistischen Bundesgenossen vorher um
Erlaubnis zu fragen. Man vergisst oft, daß der
Kommunismus eine Pathologie war, deren schlimmste
Feinde nicht Antikommunisten, sondern ihre eigenen
Glaubensbrüder selbst waren.
In Anbetracht dessen ist es durchaus möglich, daß im
Notfall dieselben ex-post-kommunistischen Beamten
Kroatiens wieder virulente Scheinnationalisten werden,
oder gar gute Neujugoslawen - wenn sich die
geistesgeschichtliche Lage in Europa dramatisch
ändert.
Für kroatische Patrioten, wie auch für die
serbischen, deutschen und alle anderen europäischen
Patrioten, liegt indes der einzige Weg zur Freiheit im
Verlassen des kleinlichen Provinznationalismus, der
sich immer auch durch das Ausschließen des jeweils
Anderen legitimieren mußte. Das Ziel sollte vielmehr
die gemeinsame Behauptung der Idee des Reiches für
alle europäischen Völker sein.
Der Hauptfeind wird nicht durch den jeweiligen
Nachbarnationalisten verkörpert, sondern von der
globalistischen Ideologie des Liberalismus und
Plutokratismus!
Dr. Sunic ist Schriftsteller,
Übersetzer und ehemaliger US-Professor der
Politwissenschaften. Er ist Autor des Buches Homo
americanus: Child of the Postmodern Age. Sein neues
Buch, das der Autor auf Französisch verfasst hat,
trägt den Titel Croatie: un pays par défaut? und wird
bald veröffentlicht werden.
(http://doctorsunic.netfirms.com;
http://www.tomsunic.info)
20.09.2010. |